Vom 12. bis 14. Oktober fand in Kiel eine jährliche Fachkonferenz des Deutsch-Russischen Juristischen Institutes (DRJI) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Osteuropäisches Recht der Universität Kiel und dem Institut für Staat und Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften statt.
An der Tagung zum Thema „Entwicklungen auf dem Gebiet der Rechtspflege in Deutschland und Russland – mit besonderer Berücksichtigung der Internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit“ anlässlich des 10-jährigen Bestehens des DRJI nahmen der Vorsitzende des Internationalen Handelsschiedsgerichtes (MKAS/ICAC) der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation (HIK Russland) Prof. Dr. Alexej Kostin, der führende Fachexperte des Zentrums für Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation der HIK Russland Dmitrij Dawydenko sowie die Mediatoren Swetlana Krupko und Dmitrij Marenkow teil.
In seinem Vortrag berichtete Prof. Dr. Kostin über die Reform der Handelsschiedsgerichtsbarkeit in Russland und erläuterte die neue Schiedsordnung, die seit dem 27. Januar 2017 in Russland angewendet wird, sofern die Parteien nichts anderes vorsehen. Er erwähnte außerdem die Erweiterung des nationalen MKAS/ICAC-Netzwerkes, zu dem seit neuestem auch die Filialen in Irkutsk, Kazan, Rostow am Don und Ufa gehören. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Institutes für Staat und Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften Swetlana Krupko ging auf die einzelnen Aspekte des Schutzes des geistigen Eigentums ein, unter anderem im Kontext der Schiedsgerichtsbarkeit.
Über die Tendenzen und Herausforderungen in der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedsgerichtsurteile in Deutschland und Russland erzählte Dmitrij Marenkow. Der Fachexperte des Zentrums für Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation der HIK Russland Dmitrij Dawydenko berichtete über die gesetzliche Regulierung der Mediation in Russland und präsentierte einige Fallbeispiele aus der Tätigkeit des Ausschusses der Vermittler in Schieds- und Schlichtungsverfahren.
Das seit 1932 bestehende MKAS ist die führende Schiedsinstitution Russlands und feiert dieses Jahr sein 85-jähriges Jubiläum. Deutsche Unternehmen sind in MKAS-Schiedsverfahren traditionell gut vertreten: jährlich finden circa 15 bis 20 Verfahren mit deutscher Beteiligung statt. Seit Anfang 2014 haben laut Auskunft des MKAS-Sekretariats 49 MKAS-Schiedsverfahren mit Parteien aus Deutschland stattgefunden. Dabei traten deutsche Parteien in 26 Fällen als Kläger und in 23 Verfahren als Beklagte auf. Die meisten Fälle resultierten aus Lieferverträgen (32 Verfahren), gefolgt von neun Schiedsverfahren im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen. Dieses Jahr wurden 223 Anträge der Unternehmen aus über 40 Ländern registriert, darunter aus China, den USA, Lettland, Italien und Kasachstan. Seit der Gründung in 1932 wurden insgesamt über 10 000 Verfahren geschlichtet.
Seit Anfang 2017 verfügt das MKAS über separate Schiedsordnungen für internationale, nationale und gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten. Zu den Neuerungen der Schiedsordnung für internationale Streitigkeiten zählen neue Vorschriften zu Schiedsverfahren mit mehreren Ansprüchen und Parteien, insbesondere Verbindung von Schiedsverfahren und Einbeziehung zusätzlicher Parteien (§§ 11-15). Damit folgt das MKAS dem internationalen Trend zu einer detaillierten Regelung solcher Situationen. Ferner findet sich eine neue Vorschrift zur Disziplin der Parteivertreter (§ 26). Für Fälle mit einem Streitwert von bis zu 50.000 USD ist ein beschleunigtes Verfahren vor einem Einzelschiedsrichter vorgesehen, bei dem der Schiedsspruch innerhalb von 120 Tagen seit der Ernennung des Schiedsrichters erlassen werden muss (§ 33). Beibehalten wurde die Regelung, wonach der Schiedsort zwingend in Moskau ist (§ 21).
Weiterhin besteht auch die Default-Regelung zur Verfahrenssprache: demnach findet ein Schiedsverfahren in russischer Sprache statt, soweit die Parteien diesbezüglich keine anderweitige Vereinbarung getroffen haben (§ 22). Die Vorsitzenden eines Dreier-Schiedsgerichts oder Einzelschiedsrichter werden vom neu geschaffenen Ernennungsausschuss (zuvor vom MKAS-Präsidium) von der MKAS-Schiedsrichterliste ernannt. Dagegen sind die Parteien bei der Auswahl der parteiernannten Schiedsrichter eines Dreier-Schiedsgerichts nicht an die Schiedsrichterliste gebunden (§ 16).
Die im Februar 2017 aktualisierte MKAS-Schiedsrichterliste für internationale Streitigkeiten beinhaltet insgesamt 152 Namen, darunter mehrere Juristen aus Deutschland. Auch dem MKAS-Präsidium und dem MKAS-Ernennungsausschuss gehört jeweils ein deutscher Jurist an.
Quellen: Internationales Handelsschiedsgericht der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation, GTAI Russland